Laschet, Scholz und Baerbock streiten beim TV-Triell

Bundestagswahl

Berlin (dpa) - Vier Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die drei Kanzlerkandidaten von CDU/CSU, SPD und Grünen einen ersten Schlagabtausch zu allen wichtigen Wahlkampfthemen geliefert.

Beim Triell der Sender RTL und ntv diskutierten Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock am Sonntagabend konträr über Fragen unter anderem der Außen- und Sicherheitspolitik, der Corona-Strategie, der Bekämpfung des Klimawandels oder der Steuerpolitik. Neben Differenzen wurden dabei auch Gemeinsamkeiten deutlich.

Eure Hörermeinungen

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Wenn man nach einem Sieger des Triells fragt, gibt es sehr verschiedene Antworten. Markus Bauer aus dem Radio 91.2-Team fasst euer Meinungsbild zusammen.

Sicherheitspolitik

Nach dem Desaster beim Abzug der Nato aus Afghanistan forderten Laschet, Scholz und Baerbock übereinstimmend eine Stärkung der sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands. Laschet bekräftigte seine Forderung nach einem Nationalen Sicherheitsrat, angebunden an das Kanzleramt. «Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen», sagte er.

Armin Laschet (CDU): «Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen.».© RTL / dpa
Armin Laschet (CDU): «Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen.».
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Baerbock warf der Bundesregierung vor, sich in Afghanistan weggeduckt zu haben. «Sie haben innenpolitische Motive über außenpolitische Verantwortung gestellt», sagte sie. Baerbock kritisierte, dass das Auswärtige Amt nicht schnell genug Visa für Schutzbedürftige ausgestellt habe.

Scholz, dessen Parteifreund Heiko Maas an der Spitze des Auswärtigen Amtes steht, forderte, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und auch künftig Bundeswehrsoldaten für Einsätze zum Schutz von Frieden und Sicherheit bereitzustellen. Er nahm für sich in Anspruch, dass mit ihm als Finanzminister der Verteidigungshaushalt über 50 Milliarden Euro gestiegen sei. «Die schlechte Zeit für die Bundeswehr war in der schwarz-gelben Koalition», sagte Scholz.

Corona-Bekämpfung

Alle drei Kanzlerkandidaten sprachen sich dafür aus, erneute weitreichende Alltagsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie zu vermeiden. Scholz sagte, es seien jetzt so viele geimpft, dass man sehr klar sagen könne und müsse: «Es wird keinen neuen Lockdown geben.» Es gelte aber vorsichtig zu bleiben, etwa mit Masken und Zugang zu Innenräumen nur für Geimpfte, Getestete und Genesene.

Auch Laschet sprach sich dafür aus, alles dafür zu tun, dass es nicht mehr zu einem Lockdown komme. «Ich halte das auch für realistisch.» Baerbock erklärte: «Stand heute ist es so, dass wir keinen neuen Lockdwon brauchen.» Alle drei Bewerber um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machten sich auch dafür stark, die Impfquote zu verbessern.

Zwischen den Kandidaten wurden zugleich Unterschiede bei konkreten Krisenmaßnahmen deutlich. Scholz und Laschet lehnten eine mögliche Impfpflicht für bestimmte Berufe wie medizinisches Personal oder Polizisten ab. Baerbock sagte: «Stand heute nein. Aber für die Zukunft sollte man das nicht ausschließen.»

Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, auch für Fahrten mit Fernzügen einen Nachweis als Geimpfter, Genesener oder negativ Getesteter zu verlangen - die Bundesregierung prüft dies gerade. «Der Wunsch von mir und der Kanzlerin ist, dass es klappen soll», sagte Scholz. Laschet verwies unter anderem auf rechtliche Bedenken und sagte: «Erst sorgfältig prüfen und dann entscheiden.»

Kinder in der Pandemie

Baerbock forderte, der Bund solle in Notsituationen wie der Corona-Pandemie mehr Verantwortung für Kinder und Familien übernehmen. «Deshalb sollte der Bund in Zukunft zum Beispiel bei der Luftfilterausstattung von Schulen oder bei der Ganztagsbetreuung (...) dauerhaft in die Finanzierung mit einsteigen.» An die Adresse der amtierenden Koalition von Union und SPD sagte die Grünen-Politikerin: «Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.»

Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen): «Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.»© RTL / dpa
Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen): «Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.»
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Laschet konterte, Baerbock täusche die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie sage, dass der Bund die Schulen nicht abgesichert habe. «Das ist Ländersache, und in elf Ländern regieren die Grünen mit.» Scholz ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen, dass sich die finanzielle Förderung von Luftfiltern in Schulen wegen ihm als Finanzminister zäh gestaltet habe. «Die Mittel stehen und die stehen auch schon lange zur Verfügung.»

Steuerpolitik

SPD-Kanzlerkandidat Scholz betonte, es sei jetzt nicht die Zeit für Steuersenkungen für Menschen mit hohen Einkommen. Leute seiner Einkommensklasse sollten vielmehr etwas mehr bezahlen, um damit Steuerentlastungen für jene zu finanzieren, die weniger verdienen. Scholz plädierte für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes um drei Prozent.

Olaf Scholz (SPD): «Ich bin dafür, dass wir unser Steuersystem etwas besser austarieren, indem Leute, die in meiner Einkommenskategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen (...).»© RTL / dpa
Olaf Scholz (SPD): «Ich bin dafür, dass wir unser Steuersystem etwas besser austarieren, indem Leute, die in meiner Einkommenskategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen (...).»
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Auch Baerbock sprach sich dafür aus, die stärkeren Schultern stärker zu belasten. Man könne nicht einfach hinnehmen, dass jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebe. Es sei erforderlich, eine Kindergrundsicherung einzuführen, was etwa zehn Milliarden Euro koste.

Laschet sagte, in der Steuerpolitik gebe es einen fundamentalen Unterschied zu SPD und Grünen. Es sei töricht und grundfalsch, einfach zu sagen, die Steuern für Reiche müssten erhöht werden.

Scholz gewinnt bei Zuschauerbefragung

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist laut einer ersten Zuschauerbefragung Gewinner des TV-Triells. Das ergab eine Forsa-Umfrage am Sonntagabend unter etwas mehr als 2500 Zuschauern im Auftrag von RTL und ntv.

36 Prozent gaben demnach an, dass Scholz die TV-Debatte «alles in allem gewonnen» habe. 30 Prozent votierten für Grünen-Kandidatin Baerbock als Siegerin des Schlagabtauschs, Unionskanzlerkandidat Armin Laschet landete mit 25 Prozent der Stimmen auf Platz drei. Für keinen der Drei entschieden sich neun Prozent.

Kaum persönliche Attacken

Schon gleich am Anfang wird deutlich, wie die Rollen verteilt sind an diesem Abend. «Die Jahre des Abwartens der großen Koalition von SPD und CDU haben diesem Land nicht gut getan. Wir brauchen jetzt einen wirklichen Aufbruch», sagt Baerbock.

Als die Moderatoren dann auch von Scholz wissen wollen, warum Laschet denn nicht Kanzler könne, gibt der aktuelle Vizekanzler zurück: «Ich glaube, dass das nicht der Stil ist, den wir in Deutschland pflegen sollten, dass wir über die anderen sagen, was sie nicht können. Wir sollten für das werben, was uns selber wichtig ist.» Und auch Laschet sagt, er würde sich «auch gerne daran halten, dass ich dafür werbe, wofür ich stehe». Er regiere ja ein großes Land mit all den Gegensätzen, die es in ganz Deutschland gebe.

Inhaltlich hart, aber weitgehend ohne persönliche Attacken geht es dann in den knapp zwei Stunden Triell zu. Beim Thema Afghanistan sind Scholz und Laschet gegenüber Baerbock eher in der Defensive, als Vertreter der Regierungskoalition. Die Grüne hält den Vertretern der Regierungsparteien ein Wegducken vor, beschreibt die Bilder verängstigter Menschen, die sich in Evakuierungs-Flugzeugen drängen: «Da zieht sich mir das Herz zusammen.»

Laschet nimmt sich viel Zeit, seine Pläne für einen Nationalen Sicherheitsrat auszubreiten. Scholz und dessen SPD verhindere den Einsatz von Drohnen zum Schutz der Bundeswehr, Baerbock habe sich beim letzten Afghanistan-Mandat enthalten, wettert der CDU-Chef. «Bleiben Sie mal bei den Fakten», keilt Scholz zurück. Baerbock ätzt, Laschet solle doch bitteschön nicht nur seinen Sprechzettel vorlesen.

Beim Thema Corona geht es ebenfalls mit harten Bandagen zu. Der Vizekanzler gibt sich als Warner, Laschet sagt auch, man müsse vorsichtig sein, aber: «Wir werden mit dem Virus leben müssen.» Als dem NRW-Ministerpräsident ein Zickzack-Kurs in der Coronapolitik vorgehalten wird, reagiert er dann doch ein wenig genervt: Bei ihm sei es immer um ein Abwägen gegangen zwischen dem Schutz vor dem Virus und den anderen Folgen. Das hätten «manche böswilligen Leute» dann Zickzackkurs genannt. Als Baerbock bei den noch häufig fehlenden Luftfiltern in den Schulen den Finger in die Wunde liegt, könnte sie bei vielen Familien gepunktet haben.

Noch mehr Schärfe kommt auf, als es ums Thema Klima geht und die Moderatoren wissen wollen, was die Kandidaten als Kanzler denn als erstes verbieten wollten. «Gar nichts», sagte Laschet und hält Baerbock vor, sie habe als Konzept nur das Verbot des Verbrennermotors. Da habe Laschet wohl nicht richtig zugehört, entgegnet Baerbock schlagfertig. Auch Scholz will nichts verbieten, hält Laschet aber vor, das CDU-geführte Wirtschaftsministerium bremse und die Union weigere sich sowieso, die Klimaziele nach oben zu setzen. Klar wird: Grüne und SPD dürften sich bei diesem Thema wohl näher sein, als Union und Grüne.

Mögliche Koalitionen

Scholz schloss eine Koalition mit der Linkspartei erneut nicht ausdrücklich aus. Er knüpfte aber jede Regierungsbildung an «unverzichtbare» Prinzipien. Dazu gehörten klare Bekenntnisse zur Mitgliedschaft in Nato und EU, zu einem soliden Umgang mit Geld und Wirtschaftswachstum und zu innerer Sicherheit. Er betonte: «Ich werde darüber auch nicht irgendwie verhandeln, mit niemandem.» Mit Blick auf die Linke sagte Scholz, die vergangenen Tage hätten es nicht gerade leichter gemacht. Dass die Linke den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan im Bundestag nicht unterstützt habe, habe ihn «echt sehr betrübt». Laschet konterte, die Bürger erwarteten eine Aussage, ob Scholz sich von der Linken zum Kanzler wählen lassen würde - ja oder nein. Er betonte, die Union werde nicht mit der Linken koalieren. Und sie wolle, dass die AfD aus den Parlamenten verschwinde. Aus Sicht von Baerbock ist für jegliche Koalitionsverhandlung die Frage Klimaschutz zentral.

R2G nur mit Bekenntnis zur Nato

Steuern, Frauenpolitik, Gendersprache - viel Neues erfahren die Zuschauer an diesem Abend nicht. Beim Gendern meint Laschet, man solle doch «Die Tassen im Schrank lassen», aber sensibel sein für Menschen, die es berühre. Wenn man am Ende aber nicht mehr wisse, was man sagen dürfe und was nicht, führe das nicht dazu, dass das Vertrauen in den Staat wachse.

Laschet versucht Scholz noch in die Ecke zu treiben, als es um die Linkspartei geht und die Frage, ob die SPD mit ihr koalieren würde. Scholz blieb bei seiner Linie: Ausschließen tut er nichts, aber ein Bekenntnis zur Nato, das müsse in jedem Koalitionsvertrag stehen «und auch von tiefstem Herzen gemeint sein».

Als die drei Kandidaten dann fast am Schluss noch etwas Nettes über den anderen sagen sollen, wird es dann nochmal interessant, vor allem vor dem Hintergrund möglicher Koalitionen nach der Wahl am 26. September. Scholz nennt Baerbock eine «ganz engagierte Politiker», das habe man auch beim Triell gesehen. Man habe ja schon lange und oft gut zusammengearbeitet, «und ich hoffe, wir werden einen Weg finden, das auch in Zukunft zu tun». Baerbock sagt über Laschet, sie möge es, «dass man sich in der Sache hart streiten kann und trotzdem, so'n rheinländische Frohnatur, was Bodenständiges» - das mache Politik auch aus.

Als Laschet dann noch aufgefordert wird, was Nettes über Scholz zu sagen, muss der CDU-Mann ganz schön lange nachdenken. «Er ist lange dabei, hat viel Erfahrung und hat unter der Führung von Angela Merkel einen ordentlichen Job gemacht.» Gut möglich, dass Laschet damit die Taktik von Scholz entzaubern wollte, sich als die personifizierte Fortsetzung merkelscher Politik zu verkaufen.

Einer ersten Forsa-Umfrage für RTL und ntv direkt im Anschluss zufolge ging das Rezept nicht auf - 36 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer halten Scholz zumindest dieser Schnellerhebung zufolge für den Gewinner der TV-Debatte, 30 Prozent Baerbock und nur 25 Prozent Laschet. Doch bis zur Wahl sind es noch vier Wochen.

Erste Reaktionen in der Politik

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, reagierte enttäuscht. «Das Triell bot eine Debatte an den wirklichen Problemen der Menschen vorbei», sagte Bartsch der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Montag). «Drei Kandidaten, eine Meinung» - viel Phrasendrescherei habe es gegeben. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt schrieb auf Twitter: «Scholz lebt nach dem Motto "Wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches" und Laschet windet sich aus der Verantwortung, wo es nur geht.» CSU-Chef Markus Söder twitterte: «Starker Auftritt und klarer Sieg von Armin Laschet.» Andere bemängelten, dass das Thema Digitalisierung komplett ausgespart worden sei.

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